Samstag, 3. Dezember 2011

Dirty old town



ohne Kommentar!

Freitag, 2. Dezember 2011

London Boulevard



Der Trailer suggeriert, es flögen nur die Fäuste. Stimmt nicht.

Mitch kommt aus dem Knast und will nie wieder dahin zurück. Nicht ganz einfach, denn er ist ein harter Junge aus einem harten Milieu, das ihn mit Gewalt in seine Reihen zurückzerren will. Genau gesagt ist da dieser Gangsterboss, der immer schwerere Geschütze auffährt, um Mitch zu seinem Mann zu machen. Mitch ist aber verdamt entschlossen, frei zu bleiben. Das Kräftemessen dieser beiden ist die Seele des Films. Ich war immer wieder verblüfft zu sehen, wie Mitch dem Druck der Drohungen und der Gewalt widersteht. Als good guy hätte er das nie geschafft. Ist er aber nicht.

Atmosphärisch dichte, überzeugende Milieustudie. Hässliches, nacktes, brutales britisches Kino.

Die Idee, Mitch auf der Suche nach einem ehrbaren Job als Bodyguard in spe an Keira Knightly geraten und sich verlieben zu lassen, ist so überflüssig wie ein Kropf. Der Film hätte ohne das genauso gut funktioniert und wäre vielleicht noch etwas authentischer gewesen.

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Das dunkle Herz der Schuld

Ein ganz früher Rankin. Spielt in seiner Heimat Fife, nördlich von Edinburgh, wo auch Inspector Rebus herkommt. Ein kleines Dorf. Bergarbeitermilieu. Armut. Provinz.

In einem Dorf hocken alle aufeinander: jahrelang, jahrzehntelang, generationenlang.  Passiert nicht viel. Und wenn mal was passiert, dann bleibt es praktisch für immer in Erinnerung. Wird vererbt.

Einmal passiert nem Mädchen ein Missgeschick und der dran schuld war stirbt. Getratsche und Geflüster und langsam wird sie immer mehr zur Außenseiterin. Das geht nicht nur ihr Leben lang so, sondern prägt noch das Leben des Sohns.

Der Sohn pubertiert. Erste Liebe. Enge Verhältnisse. Last der Vergangenheit. Erwachsenwerden. Ein Entwicklungsroman im Milieu. Gut gemacht, intensiv, einfacher Schreibstil.

Sonntag, 20. November 2011

Cook

Wie hat es Tony Horwitz geschafft, 18 Monate auf den Spuren von Captain Cook kreuz und quer durch die Welt zu ziehen und sich so ausgiebig umzusehen? Wer ist Tony Horwitz?

Journalist. Hat viele Jahre für das Wall Street Journal als Auslandskorrespondent von fast allen Kontinenten berichtet und 1995 den Pulitzer Preis für die beste Inlands-Berichterstattung erhalten. Seitdem hat er ausgesorgt, lebt mit der Familie auf Martha´s Vineyard und ist freischaffender Reiseschriftsteller geworden.

Das Buch ist keine Cook-Biographie und keine historische Darstellung, sondern das, was man von einem Reiseschriftsteller erwarten darf: ein Bericht über Horwitz´ eigene Reise zu all den Plätzen, an denen Cook gewesen ist. England, Tonga, Alaska, Neuseeland, Hawai, Kamtschatka, Tahiti, Australien. Immer nimmt er einen Kumpel mit. Das ganze ist locker und humorvoll erzählt - im Stil so ähnlich wie Bill Bryson - inhaltlich eine Mischung aus Picknick mit Bären und Down Under.

Horwitz will ein Gefühl dafür bekommen, wie es damals war. Da gibt es doch diesen Originalnachbau der Endeavour, auf der man mitsegeln kann. Also nichts wie drauf. Und nach diesem Auftakt jeden historischen Ort persönlich in Augenschein nehmen. Rumlaufen, mit Leuten sprechen, vor Ort Cooks Logbücher lesen, nachspüren, die Gegenwart gegen die Vergangenheit halten. Toll. Gut gemacht.

Sympathischer Kerl. Hat noch einige andere interessante Bücher geschrieben.

Dienstag, 15. November 2011

Patriot Games

Beim Lesen dieses Buchs hat mich seit langem mal wieder einmal die Lust überfallen, eine Besprechung zu schreiben. Mir ist dabei so viel durch den Kopf gegangen. Und was stelle ich auf einmal fest? Ich habe schon einmal ein Buch von Tom Clancy besprochen, und darin schon alles Negative gesagt. Ist zwei Jahre her. Ich konnte mich überhaupt nicht erinnern. Umso erstaunter war ich, dass ich erneut ein Werk als "N24-Buch" betitelt habe.

Na, dann kann ich ja gleich zu den sonstigen Beobachtungen übergehen. Clancy´s Hauptfigur Jack Ryan gehört in die Reihe der absolut guten Kerle wie Donna Leon´s Commissario Brunetti oder Elisabeth Georges Inspector Lynley. Genau wie diese ist er kein besonders aufsehenerregender Held, sondern einfach nur der good guy von nebenan. Clancy schafft es aber nicht, ihm einen etwas tieferen Charakter zu geben. Sein Privatleben ist irgendwie standardisiert. Er sagt, was man so sagen muss, und tut was man so tun muss. Ein politisch hyperkorrekter Saubermann. So viel steht fest: das Buch lebt nicht vom Hauptcharakter und dementsprechend werden die bad guys bei Clancy auch nie  durch individuelle Leistungen wie Spürsinn (Sherlock Holmes), Hartnäckigkeit (John Rebus) oder Intuition (Adamsberg) zur Strecke gebracht. Der Held hebt sich nicht besonders gegen die anderen good guys ab.

Bei Clancy wird der Sieg durch die Gemeinschaftsleistung einer konservativen, wehrhaften Gesellschaft errungen, in der alle strebend ihre patriotische Pflicht tun. Die Guten sind obere Mittelschicht: akademisch, wohlhabend und staatsnah. Ach was, staatsnah - alles Kumpels aus dem FBI, dem CIA, der Navy, der Airforce und einem S.W.A.T-Team. Die Bösen kommen aus dem Ausland.

Interessanterweise ist auch die Gemeinschaftsleistung keine logistisches Meisterwerk, bei dem irgendwer über sich hinauswächst. Wenn es eng wird, greift einfach die Routine und der Dienst. Vater Staat hat ja alle gut ausgerüstet und trainiert und dann klappt das schon.

Die eigentliche Story ist dramaturgisch gar nicht schlecht aufgebaut. Die Verfilmung ("Die Stunde der Patrioten") kann man allerdings vergessen. Zwar ist  das Ambiente gut rübergebracht, aber die Story ist mies gekürzt, verändert, verkrüppelt. Schade!

Donnerstag, 21. Juli 2011

Kulturgeschichte des Klimas

Ein tolles Sachbuch. Spannend geschrieben und sehr viele neue Erkenntnisse für mich. Es umfasst die letzten 12 000 Jahre, seit die Menschen sesshaft geworden sind. Ein Ereignis, dass durch das Ende der letzten Eiszeit und den Übergang zu einer Warmzeit begünstigt (ausgelöst?) wurde. Je weiter zurück, desto summarischer behandelt er die Vergangenheit und ist nicht immer ganz glasklar in den Formulierungen und Epochenbegriffen. Je näher es der Gegenwart rückt, desto spannender wird es. Der Höhepunkt des Buches, der längste, detaillierteste und spannendste Teil ist die kleine Eiszeit, die mit der Renaissance beginnt und über die Aufklärung ins 19.Jahrhundert reicht.
Mir war nicht klar, dass die klassische Antike und das Hochmittelalter warme Perioden und das frühe Mittelalter / Völkerwanderungszeit und die Frühe Neuzeit Kälteperioden mit schrecklichen Katastrophen und tiefen Auswirkungen auf Kultur, Politik, Wirtschaft, ja Religion waren. Nicht im primitiven Sinn einer kausalen Verursachung, aber einer sehr wichtigen Begleitmusik und Mitursache für viele historisch bekannte Vorgänge. Unbedingt lesenswert!

Dienstag, 19. Juli 2011

Geist im Netz

Was sind eigentlich neuronale Netzwerke? Wie sind sie aufgebaut? Wie funktionieren sie? Wie kann man ein Neuron am Computer simulieren und welche mathematischen Eigenschaften muss es haben, um aus einer Signalweiterleitung eine Informationsverarbeitung zu machen? Wie organisieren sich Netzwerke selbst? Wie speichern sie Inhalt? Wie bringen sie Abstraktionsleistungen hervor? Wie lernen sie?
Manfred Spitzer, Professor für Psychiatrie an der Universität Ulm, gibt eine grundlegende, verständliche Einführung, indem er erst einfache Netze aus 3 Neuronen. dann komplizierteren Modelle erklärt und viele Simulationen und Versuche erläutert. Das Buch ist voller Literaturangaben, so dass man in jeder Verzweigung des Themas, tiefer einsteigen kann, wenn man es noch genauer wissen will. Er zeigt, wie man mit Hilfe der vorgestellten Modelle und Prinzipien viele Eigenschaften des menschlichen Geistes elegant und sparsam erklären kann, z.B. das Lernen zunehmend komplexer Sachverhalte im Laufe der kindlichen Entwicklung, viele psychopathologische Störungen der Schizophrenie, Demenz, Depression oder Autismus.
Ein grundlegendes Werk, das meinen Widerwillen gegen redundante Kommunikation und meine Ungeduld gegen unaufmerksame oder denklangsame Zeitgenossen erheblich reduziert hat. Ich habe ein neutrales Verständnis entwickelt, ohne meine üblichen inneren Bewertungen, wenn jemand deutlich "anders tickt" als ich. Und das ist kein kleines Ergebnis für ein Buch. Gehört in meinen naturwissenschaftlichen Kanon!

Samstag, 15. Mai 2010

Solaris

Ich finde, dass Lem die Gattung Science Fiction nicht "neu abgesteckt" und ihr auch keine "literarischen Hochflächen auf dem Niveau des philosophischen Traktates erobert" hat - jedenfalls nicht mit Solaris.

Ein Planet ist von einer schleimigen Substanz bedeckt, an der die Menschheit schon Jahrzehnte lang herumforscht. Es ist zu klären, ob sie intelligenzbegabt ist und man ggf. mit ihr kommunizieren kann. Der Held kommt in die Forschungsstation auf Solaris. Dort leiden alle unter einer Art von Halluzination, der auch er bald unterliegt. Alle sind misstrauisch, jeder macht seine eigene kleine Privathölle durch, da die Halluzinationen biographisch sehr relevant sind. Unser Held begegnet seiner Ex-Geliebten, deren Tod er verschuldet hat. Obwohl er weiß, dass ihr keine Realität zukommt verliebt er sich neu und auch sie verliebt sich neu in ihn. Als sie merkt, dass sie nicht real ist, versucht sie sich umzubringen, was aber nicht gelingt, da sie ja ein Produkt der schleimigen Masse ist usw.
Ja, es werden möglicherweise interessante Fragen über das Bewusstsein aufgeworfen. Ändert aber nichts daran, dass das Buch öde ist. Langatmig  quält uns Lem mit seitenlangen Beschreibungen des merkwürdig geformten Schleimozeans und mit merkwürdigen Spekulationen über die Entstehung von Ausstülpungen desselben. Was soll das denn?

Dienstag, 11. Mai 2010

Auf Ehre und Gewissen

Englischer Krimi gefällig?
Man nehme als Minimalinventar: Die Oberschicht,die Unterschicht,ein Internat, einen gruseligen Friedhof und - ach ja - einen Mord.

Unser Held ist Inspektor Lynley. Er ist adelig, gutaussehend, intelligent, reich, edel und gut, sozial eingestellt und mit hoher sozialer Intelligenz ausgestattet. Natürlichh hat er Familie und sehr gute, alte Freunde. Er fährt mit seinem Bentley zum Tatort und wird nach Feierabend in einer Stadtvilla von seinem Buttler empfangen. Am Wochenende fliegt er mit seinem Privatjet auf den Landsitz nach Cornwall. Er arbeitet, "um der Gesellschaft etwas zurückzugeben." Muss ich noch mehr sagen?

Na gut - um es vollständig zu machen: seine Assistentin stammt aus der Unterschicht. Sie wohnt in einem verotteten Haus in einem völlig heruntergekommenen Stadtviertel, hat demente Eltern, die in ihrer Abwesenheit versiffen. Sie ist hässlich, dick, misstrauisch und einsam. Im Umgang mit Menschen ist sie recht grob, streitet schnell herum und unterstellt allen nur das Schlechteste. Nachdem sie schon zurück in die Uniform degradiert war, darf Lynley ihr noch einmal eine Chance zur Bewährung bei der Kripo geben, was er natürlich ritterlich und erfolgreich tut (obwohl sie ihn einst doch so bitter beleidigt hatte - seufz.)

Der eigentliche Plot ist trotz all dem Trief und Schmacht aber doch überraschend gut ausgedacht. Lynley löst den Fall in einem Rutsch vor Ort, indem er mit allen Beteiligten nacheinander redet, wobei ihm natürlich sein großes soziales Geschick, seine hervorragende Intuition und seine großartige Beobachtungsfähigkeit nicht unwesentlich helfen. Neben dem eigentlichen Mord klärt er gleich noch alle kleineren Delikte aller temporär Verdächtigen auf.

Sehr leichte Krimikost zum Wegschlürfen, wenn man echt schlapp ist und ganz schnell etwas ganz Süßes braucht. "Gott schütze dieses Haus" soll noch ganz gut sein. Mein Tip: unter keinen Umständen ein dickeres Buch von ihr in die Hand nehmen. Absolut unerträglich!!!

Dienstag, 16. Februar 2010

Why is sex fun?

Bei diesem Buch haben manche Leser ein Beratungsbuch erwartet. Es ist aber drin, was draufsteht: Evolution der menschlichen Sexualität. Also ein Biologiebuch.
Allerdings sind die Unterschiede zum Biologieunterricht gewaltig. Wo der Biounterricht jungen Menschen per Arbeitsblatt komprimierte Fakten ins Gehirn knallt, sie in einer Klausur abfragt und dann im Lehrplan weiterstürmt, nimmt sich Jared Diamond Zeit. Zeit um Fragen zu stellen und Staunen zu wecken. Er pflegt einen pointierten, unterhaltsamen Schreibstil. Dabei immer ganz Angelsachse: kurze Sätze, klare Gedanken, präziser Ausdruck. Dem so aufgeladenen Thema nähert er sich in herrlich nüchterner Naturwissenschaftlersprache, die eine wohltuende Distanz schafft.

Im Buch "Bildung - alles was man wissen muss" hat Dietrich Schwanitz den sogenannten gutbürgerlichen Bildungskanon vorgestellt und dabei Schwerpunkte auf die Produkte der "Hochkultur" gelegt: Geschichtsschreibung, Philosophie, Literatur, Musik etc. Als Reaktion darauf erschien "Die andere Bildung", in de E.P.Fischer darauf hinweist, dass die Naturwissenschaften ganz wesentliche Beiträge zur Bildung beizusteuern haben, die in ihrer erkenntnisschweren Tiefe weit über den klassischen Bildungskanon hinausgehen.

Das demonstriert Jared Diamond in seinen Büchern eindrucksvoll . "Why is Sex Fun?" hilft beispielsweise die biblische Sexualmoral biologisch zu verstehen. "Guns, Germs and Steel" setzt das Bischen an schriftlich überlieferter "Weltgeschichte" in den größeren Rahmen der letzten 50.000 Jahre und das mit höchstem Gewinn!

Ich habe das Buch oft zur Seite gelegt und viel nachgedacht. So sollen Sachbücher sein! Am liebsten würde ich meine Gedanken dazu hier gleich alle ausbreiten. Das Buch hat mich sehr bereichert.

Mittwoch, 10. Februar 2010

Leichenblässe

Nach seinem eher laffen Debut hatte Beckett´s letztes Buch mir ja Lust auf mehr gemacht - et voilá - bekomme ich Leichenblässe mit den wärmsten Empfehlungen unter den Weihnachtsbaum gelegt.
Aber ach. Wir haben versucht, es vorzulesen. Unmöglich. Das Vorlesen enthüllt schlechten Schreibstil brutal.

Der Held ist ein solcher Langeweiler. Immer und immer und immer und immer und immer wieder überlegt er, ob er sich als Brite nicht aus den amerikanischen Ermittlungen raushalten soll, ob er seinem Gastgeber damit nicht vielleicht Schwierigkeiten bereitet (obwohl der des Helden Anwesenheit explizit wünscht) usw. Das ist ja soooo rücksichtsvoll. Überhaupt ist er in j e d e r Beziehung soooo korrekt. Ein leichenblasser Saubermann.

Ist der Autor selbst so ein umständlicher Typ oder schreibt er streng zielgruppenorientiert? Und wie darf man sich eine solche Zielgruppe vorstellen? Weisser, weiblicher, angelsächsischer Mittelstand in der Vorstadt, der vom idealen Schwiegersohn in gesellschaftlich gehobener Position (Arzt, Wissenschaftler) in zartfühlender Art und Weise durch die schrecklichsten, schmutzigsten Untiefen des psychopathischen Mordens entführt wird, wobei er unter schwierigsten Umständen auch noch seine eigenen Traumata (familiäre Verluste und Opfererfahrung) aufarbeitet und die lebensgeschichtlichen Motive des Serienmörders psychologisch sauber ausgedeutet werden? Das ist zu dick aufgetragen, Mr.Beckett.

Nervig finde ich auch, dass er ausgiebig auf seine beiden ersten Bücher Bezug nimmt. Hast Du nix gelesen, Du nix verstehn. Das ist doch schlechter Stil, oder?

Aufbau der Geschichte Schema F (siehe Buch 1 und Buch 2) - die große Wurmkur im Leichenschauhaus.

Donnerstag, 4. Februar 2010

The Robots of Dawn

Dritter Teil der Trilogie

The Naked Sun

Zweites Buch der Trilogie

The Caves of Steel

Das ist ja auch mal eine Erfahrung: Angst zu haben, ein Buch zu besprechen, weil es einem so dermaßen gut gefallen hat, dass man befürchtet, ihm nicht gerecht werden zu können.

Die "Höhlen aus Stahl" sind nur 200 Seiten lang, aber für viele das beste Buch, das Asimov je geschrieben hat. Das hat viele Gründe:

1. Er fasst sich kurz. Gute Kurzgeschichten sind besser als Novellen sind besser als Romane

2. Man befindet sich auf einem Schlag in einem ganzen Asimov-Universum. Nicht die üblichen 50 - 100 Jahre in der Zukunft, sondern mehrere Tausend Jahre. Die Menschheit hat die gesamte Galaxis besiedelt. Die Erde ist einfach nur ein Planet unter vielen. Nach den Standards der Zeit eher rückständig und von den anderen wie ein bedauernswertes Entwicklungsland behandelt.

3. Ein archetypisches Science Fiction Szenario: die Menschheit kann die Erdoberfläche nicht mehr bewohnen und hat sich in riesige von der Außenwelt abgeschlossene Megastädte zurückgezogen. Ihr Leben findet in übervölkerter, volltechnisierter Umgebung statt. Ein toll beschriebenes Setting. (Die anderen Planeten sind sauberer, naturnäher, bevölkerungsreguliert und wohlhabender.)

4. Die Hauptperson (Elijah Baley, Polizeiermittler) ist eine differenzierte Figur mit eigener Geschichte, Emotionen, Familie, vielen Jahresringen und etlichen schwachen Seiten. Um einen Mordfall an einem "Außenweltler" aufzuklären, wird ihm von der wenig wohlgesonnenen galaktischen Regierung ein androider Roboter zur Seite gestellt. Der wird von den (von Asimov ersonnenen) drei Gesetzen der Robotik beherrscht. Natürlich ist die Maschine stärker, schneller, logischer, sieht besser aus, hat ein besseres Gedächtnis usw. Trotz der offensichtlichen Unterlegenheit sind es die genuin menschlichen, "weichen" Eigenschaften (z.B. Intuition, Bluff), die letztlich dem Menschen die Lösung des Falls ermöglichen. Er erweist sich als kluger, mutiger Kopf mit Prinzipien - so eine Art Peter Falk in der Rolle des Columbo.

5. Der Roboter (R. Daneel) ist auf seine roboterhafte Art übrigens auch sehr sympathisch. Er entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer von den Fans meistgeliebten Asimov-Figur, die Elijah Baley um Jahrhunderte über"lebt".

Als ich so laß, fielen mir immer wieder "Filmzitate" aus anderen Science Fiction ein, die es damals aber noch gar nicht gab. In Wirklichkeit wird also immer Asimov zitiert.

Mittwoch, 3. Februar 2010

Lucky Starr

Mit 130 Seiten kommt man natürlich nicht lange hin und darum mussten alle Fortsetzungen von Space Ranger her. Der Sammelband Lucky Starr vereint sechs Weltraumabenteuer in einem Band. Lucky Starr und sein Freund besuchen nacheinander Mars, den Asteroidengürtel, Venus, Merkur, Jupiter und Saturn, wo sie krachende, phantasievolle Abenteuer erleben.
Doch Halt! Die Beschreibungen der Planeten mit allem Drum und Dran und die überraschenden Lösungen sind zwar wirklich erfrischend mit einer großen Portion Kindheitsspaß. Aber sehr schnell wird deutlich, dass Lucky Starr ein eindimensionaler Charakter ist, der ausschließlich gute Eigenschaften besitzt - und diese vollzählig und im Extrem ausgeprägt. Immer dabei sein kleiner, hässlicher, dummer (aber treuer, mutiger, lustiger) Freund, der Lucky Starr verehrt und zum Dank von diesem ständig belehrt wird. Die pubertäre Heldenphantasie eines sehr jungen Autors.

Lucky und sein Freund erinnern sehr an Karl Mays Helden und ihre Alter Egos. Durch diese Charaktere ähneln sich die Geschichten trotz des bunten Vordergrundkollorits letztlich wie ein Ei dem anderen. Gut, dass sich Asimov schnell weiterentwickelt hat...

Space Ranger

Ha, was für ein Spaß. Ein speckiges Second-Hand-Büchlein aus einem Waliser Antiquariat. 50 Pence, 130 Seiten, Erstauflage 1952. Mein erster Asimov.

Der Stil ist so herzerfrischend naiv und einfach, dass ich mich in mein dreizehntes Lebensjahr zurückversetzt fühle. Ich sitze mit einer Packung Butterkeksen und einem großen Glas Milch zuhause. Die Schule ist für diese Woche zu Ende. Vor mir ein großes Abenteuerwochenende mit Buch!

Man merkt schon auf den ersten Seiten, dass die Geschichte älter ist als alles, was man in Science Fiction gelesen hat. Hier hat ein Klassiker frühe Fundamente gelegt, auf denen alle Nachgeborenen aufbauen werden.

Genau genommen, wird Asimov schon bald selbst hierauf aufbauen, denn es ist ein Frühwerk. Die späteren Bücher sind kunstvoller und haben mehr Tiefgang. Aber hach, was soll´s. Man weiß, hier hat jemand Neuland betreten - hier geht es erst mal richtig zur Sache.

Samstag, 30. Januar 2010

An Empire of Wealth

US-amerikanische Wirtschaftsgeschichte von der Staatsgründung bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. Ein Buch, um sich unterhaltsam zu informieren.

Den sehr anekdoten- und personenzentrierten Stil finde ich persönlich eher unbefriedigend. "Heldengeschichten", die manchen patriotischen Amerikaner interessieren dürfte. Ich habe mich öfters gelangweilt, bin hin und her gesprungen und habe es nicht zu Ende gelesen.

Die Hauptthese des Buches finde ich patriotisch übertrieben und falsch: Während andere Weltreiche ihre Macht auf Politik und Waffengewalt stützten, dominierten die USA die Welt auf eine friedfertige, alles durchdringende Art und Weise. Nämlich durch ihre Wirtschaftsleistung und ihre Fähigkeit immer mehr Wohlstand zu schaffen. Erzähl das zum Beispiel mal den Staaten Mittel- und Südamerikas...

Guns, germs and steel

Mama, warum ist es heute so kalt?
Weil die Sonne nicht scheint
Warum scheint die Sonne nicht?
Weil zu viele Wolken am Himmel sind
Warum sind so viele Wolken am Himmel?
Die hat der Wind hierhergeblasen?
Warum bläst der Wind?
usw.usw.

Durch diese Art von Frage- und Antwortspiel geht der Pulitzer-Preis-Träger Jared Diamond der Frage nach, warum die verschiedenen Gesellschaften auf den verschiedenen Kontinenten so unterschiedlich reich und mächtig sind. Welche vordergründigen Faktoren sind für diese Unterschiede verantwortlich? Welche Faktoren liegen dahinter und welche dahinter? Wie weit muss man zurückgehen, um an die Wurzel zu gelangen? Bis ins Mittelalter? Bis zu den frühen Hochkulturen? Nein - bis in die Zeit als alle Menschen auf der Erde noch als Jäger und Sammler gelebt haben. Also bis ans Ende der letzten Eiszeit vor ca. 15.000 Jahren. Von dort an haben sich die unterschiedlichen Gesellschaften unterschiedlich schnell "zivilisiert". Wie und warum kam es dazu? Sind die Völker unterschiedlich intelligent? Sind die Wilden faul?

Jared Diamond´s Motiv für dieses Buch war nach eigener Aussage, solche simplen aber tief eingefleischten, rassistischen Hypothesen zu widerlegen. Die Menschen sind überall gleich intelligent und im evolutiven Sinne gleich modern. Entwicklungsunterschiede führt er auf Unterschiede in den natürlichen Ressourcen und Gegebenheiten auf den Kontinenten zurück. Welche das sind, will ich hier nicht verraten.

Diamond bezieht alle Kontinente in seine Darstellung ein. Für mich interessant war, dass ein besonderer Schwerpunkt auf Neu Guinea, Australien und Ozeanien liegt. Eine Gegend, über die ich bislang sehr wenig wusste, die Diamond aber aus 30jährigen Forschungsaufenthalten gut kennt.

Seine Darlegungen und Herleitungen sind systematisch und gründlich. Das Buch gut strukturiert, anschaulich und leicht verständlich - das Lesen eine große Abenteuer- und Entdeckungsreise. Ein würdiger Nachfolger meines Jugendlieblingssachbuchs "Götter, Gräber und Gelehrte". So sollen Sachbücher sein.

Stilistisch kritisch anzumerken ist, dass er einen redundanten Schreibstil pflegt, der aufgrund der klaren Sprache und guten Struktur eigentlich überflüssig wäre. Gegen Ende steigern sich die Redundanzen bis zur Unerträglichkeit. Die Hälfte hätte es auch getan.

Donnerstag, 14. Januar 2010

Avatar




... im übrigen finde ich das romantisierte, verkitschte Bild des edlen Wilden in Avatar primitiv. Für den aktuellen Web 2.0 Bezug haben die Naturmenschen alle einen Haarzopf mit Tentakeln am Ende. Dieser dient als Schnittstelle zu anderen Wesen und Bäumen. Bei Berührung verflechten sich die Tentakelschnittstellen miteinander wie bei einem freundlichen Händedruck. So loggen sich die Wilden in die große biologische Matrix ein. Außerdem bilden die Edlen bei Bedarf ein großes, im Takt schunkelndes, betendes, summendes Kollektiv, beispielsweise wenn sie gemeinsame Heilungsriten durchführen. Klischeehaft.

Postitiv könnte man anmerken, dass man hier neuen, jungen Generationen eine Idee von heilem Naturbezug und der Stammesgeschichte der Menschheit so in zeitgenössischem Gewand nahebringt, dass sie emotional berührt werden. Das ist doch toll. Bei mir hat das noch Winnetou geleistet. Der war mir damals heilig und ist bei Licht besehen auch grottenschlecht.

Montag, 4. Januar 2010

Jurassic Park

Ein Paradebeispiel für die typischen Unterschiede von Buch und Film.
Im Film gibt es eine kurze Einleitungsgeschichte, bevor die Dinos in ganzer Pracht und Herrlichkeit ausbrechen. Dann nimmt das Toben und Töten atemberaubend, üppig und ausgiebig seinen Lauf. Ein Augenschmaus für die ganz große Leinwand. Und natürlich ein Paradies für die Kassemacher der Filmbranche - Jurassic Park 2, 3 und 4 waren kommerzielle Selbstläufer. Eine echte Medienmarke mit allem Schnick und Schnack.

Ganz anders das Buch: die Einleitungsgeschichte ist gar keine. Sie macht das Rückgrat des Buches aus. Hier bringt Crichton in unterhaltsamer, leichter Form das unter, was er an Wissenschaftlichkeit zu bieten hat. Ein Enkel Jules Vernes. (Wie alle Jules Vernes hab ich JP in französisch gelesen. Das bringt natürlich auch noch mal besonders Atmosphäre.)
Bis der erste Dino einen Fuß über einen Zaun setzt, ist das Buch jedenfalls schon über die Hälfte rum. Und dann wird das Buch schlagartig so flach und langweilig, dass ich es weggelegt habe. Ständig rennende Tiere und Menschen - das bringt es einfach nicht im Buch.

Die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen sind so gravierend, dass Buch und Film (fast)wie zwei verschiedene Abenteuer wirken.