
So einen Aufbau einer Geschichte habe ich ja noch nie gesehen. Die Kripo findet auf einem Baugrundstück ein Skelett, das dort schon seit ca. 60 Jahren liegt. Dessen Lage weisst darauf hin, dass es sich um ein Verbrechen handeln könnte und man nimmt eine Ermittlung auf. Offensichtlich sonst nicht viel zu tun in Reykjavik. Parallel läuft eine andere Geschichte und recht schnell bemerkt man, dass es sich um eben jene Geschichte vor 60 Jahren handelt, die zu dem Skelett führen wird. Vor dem Leser entfaltet sich ein packend beschriebenes Familiendrama um das Thema Gewalt in der Familie. Toll wie beide Erzählstränge an Intensität gewinnen und sich auf das Ende hin immer stärker annähern. Dabei steht die alte Geschichte ganz im Zentrum. Die mäandernden Ermittlungen sind ein tolles Stilmittel, um Kontext- und Hintergrund der alten Geschichte zu verbreitern. Ich hatte oft Herzklopfen - aber nicht wegen irgendwelcher Krimikniffe, mit denen Spannung oder Grusel erzeugt wird, sondern einzig und allein wegen der intensiven Familiendynamik. Menschlich dicht und echt.
Scharf und persönlich hat mich eine zweite Familiendynamik des Buches berührt. Der ermittelnde Kommissar hat sich vor zwanzig Jahren von seiner Frau scheiden lassen, als seine beiden Kinder noch klein waren. Während der Ermittlungen versucht er, seiner stark gegen ihn eingenommenen schwangeren Tochter zu helfen und begegnet seiner Ex-Frau, die ihn immer noch so stark hasst wie zur Zeit der Trennung. Ebenfalls sehr präzise beobachtet und gut übergebracht.