Mittwoch, 7. November 2007

Geheime Melodie

Spionagefilme und -bücher gibt es wie Sand am Meer - sie sind alle nicht mein Fall. Immer diese Finsterlinge mit ihren verworrenen Plots. Doch plötzlich habe ich mir den ersten John le Carré meines Lebens gekauft und das kam so: zunächst hat mich das Zebra angesprochen (wegen unseres Busses) und dann zog mich der Stil schon auf der ersten Seite in seinen Bann. Er war so ganz anders, als erwartet. Leicht und -ja- literarisch! Er hat mich an die Mitternachtskinder Salman Rushdies und Mein Herz so weiß von Javier Marias erinnert - und damit gleich an zwei Bücher meines persönlichen Kanons!
Man sagt, seit der kalte Krieg vorbei ist, sei John le Carré nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Das mag gut sein, ist aber als Glücksfall zu betrachten, denn dadurch probiert er (wie man hört) neue Wege aus. Keine "typischen" Spione mehr, die aus der Kälte kommen!
Auf den ersten fünfzig Seiten lernen wir einen Ich-Erzähler kennen, indem er über sich selbst plaudert, seine Herkunft (Kongo), sein Beruf (Konferenzdolmetscher), seine Ehe und sein britisches Mittelklasse-Milieu. Das macht so viel Spaß, dass es einfach immer so weiter gehen könnte. Er ist ein gutmütiger, sensibler Kerl mit starkem Wunsch nach Assimilation und solidem bürgerlichem Leben. Aufgrund seiner Sprachkenntnisse wird er überall sehr angefragt, unter anderem - wie könnte es anders sein - gelegentlich vom britischen Geheimdienst. Als er nun einmal auf einer Geheimkonferenz an geheimem Ort dolmetschen soll, geht er nicht Böses ahnend, gut gelaunt und recht naiv an die Sache ran. Immer blickt man durch seine Augen, immer hört seine Interpretationen des Geschehens.
Als Leser ist man zwar genau so ahnungslos wie er, allerdings nicht so naiv. Während die Situation für ihn noch harmlos ist, schöpft man als Leser bereits Verdacht. Während er anfängt, Verdacht zu schöpfen, stehen einem als Leser bereits die Nackenhaare zu Berge. Während man als Leser die hässliche Wahrheit schon in klare Worte fasst, bagatellisiert und beschönigt er noch alles. Er will doch unbedingt an das Gute glauben und hat so gar nichts von diesen welterfahrenen, zynischen Klischee-Spionagetypen. Das macht ihn sehr sympatisch. Als die ungeschminkte Wahrheit trotz allerseitiger Beschönigungen auch für ihn nicht mehr zu übersehen ist, bleibt sein Erzählton leicht und "positiv". Dadurch wird alles Folgende - und die Geschichte schlägt bis zum bitteren Ende noch einige Haken - in Ironie und Sarkasmus getaucht. Wirkungsvoll!